Abschiebelager als bayerische Spezialität sollen bundesweit eingeführt werden

Im Herbst 2015 wurden in Bamberg und Ingolstadt/Manching die sogenannten Ankunfts- und Rückführungseinrichtungen (ARE) eröffnet. In diese Abschiebelager wurden zunächst Geflüchtete aus den zu „sicheren Herkunftsländern“ erklärten Westbalkanstaaten eingewiesen..

AnKER-Einrichtung

von Agnes Andrae

Von der ARE zum Transitzentrum zur AnKER-Einrichtung

Im Herbst 2015 wurden in Bamberg und Ingolstadt/Manching die sogenannten Ankunfts- und Rückführungseinrichtungen (ARE) eröffnet. In diese Abschiebelager wurden zunächst Geflüchtete aus den zu „sicheren Herkunftsländern“ erklärten Westbalkanstaaten (Serbien, Bosnien, Mazedonien, Montenegro, Albanien und Kosovo) eingewiesen. Später wurden auch Geflüchtete aus Ghana und Senegal in die Abschiebelager verteilt. In einem weiteren Schritt wurde mit Geflüchteten aus anderen Ländern experimentiert, die keine sicheren Herkunftsländer sind. In Manching wurden deshalb Geflüchtete aus der Ukraine eingewiesen, in Bamberg waren es Geflüchtete aus Georgien und Russland.

Im März 2017 beschloss die Bayerische Staatsregierung, dieses aus ihrer Sicht "erfolgreiche" Konzept auszuweiten. Während die ARE Bamberg Teil der dortigen Erstaufnahmeeinrichtung für Oberfranken bleibt, wurde die ARE Manching/Ingolstadt zum Transitzentrum umgewidmet und für weitere Flüchtlingsgruppen geöffnet. Zudem wurde die Erstaufnahmeeinrichtung Regensburg zum 01.07.2017 zu einem solchen Transitzentrum umgewandelt, die Erstaufnahmeeinrichtung Deggendorf folgte zum 01.08.2017.

Die Transitzentren sind die Weiterentwicklung des Konzepts der ARE. Die Zielgruppe sind nun Geflüchtete aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote unter 50%. Ihnen wird allein aufgrund dieser Prozentzahl eine schlechte Bleibeperspektive unterstellt. Weiteres Kriterium ist eine „relevante Masse“ von Geflüchteten aus einem Herkunftsland, damit sich die Abschreckung auch lohnt. Deshalb wurden zur bisherigen Zielgruppe Geflüchtete aus Äthiopien, Nigeria, Sierra Leone, Mali, Aserbaidschan und Afghanistan hinzugefügt. (1)
 

Bayernweite Einführung der Anker-Zentren

Am 1. August 2018 wurden die bestehenden Transitzentren sowie die Erstaufnahmeeinrichtungen in Bayern zu Anker-Zentren umbenannt. Bayern gilt hier mit Sachsen als Modell für andere Bundesländer: In den Koalitionsvereinbarungen zwischen CSU, CDU und SPD sind zentrale Aufnahme-,  Entscheidungs- und  Rückführungseinrichtungen – kurz Anker-Zentren – bundesweit vorgesehen. Diese neuen Einrichtungen sollen laut dem Koalitionsvertrag die Erstaufnahmeeinrichtungen ersetzen und alleinstehende Personen können dort bis zu 18 Monate festgehalten werden, Familien bis zu 6 Monate. Nur die Personen, denen eine „gute Bleibeperspektive“ vorausgesagt wird, sollen in weitergehende Unterkünfte verlegt werden. „Alle anderen sollen, wenn in angemessener Zeit möglich, aus diesen Einrichtungen in ihre Heimatländer zurückgeführt werden.“ (2)

Das BAMF wirbt für die Anker-Zentren u.a. damit, dass hier „Kompetenzen von Bund, Ländern und Kommunen unter einem Dach“ gebündelt seien, „um Asylverfahren noch effizienter und sicherer zu gestalten“ (3). Die Behauptung, alles sei unter einem Dach an einem Ort gebündelt, widerlegt sich spätestens angesichts der Tatsache, dass es in Bayern nun sieben Anker-Zentren mit insgesamt 23 Dependancen gibt. Allein der Behördenstandort Oberbayern mit Manching/Ingolstadt hat Unterkunfts-Dependancen in Ingolstadt, München, Waldkraiburg, Fürstenfeldbruck und Garmisch-Partenkirchen. Auch eine automatische Beschleunigung der Asylverfahren ist nicht zu erkennen. So leben viele Menschen dort länger als 12 Monate: Die Aufenthaltsdauer in den Abschiebelagern beläuft sich für Personen aus „sicheren Herkunftsstaaten“ auf die gesamte Dauer ihres Asylverfahrens. Da diese in der Realität oft nicht schnell durchgeführt werden können, kann dies mehrere Monate und Jahre bedeuten. Ganz abgesehen davon bedeuten verkürzte Schnellverfahren gerade für besonders schutzbedürftige Gruppen wie Schwerkranke, Traumatisierte, etc., dass ihre Asylgründe nicht ausreichend geltend gemacht werden können und sie kein spezielles Clearingverfahren bekommen und auch keinen Zugang zu besonderer Behandlung haben.

 

Isolation und Zermürbung – Lebenssituation der Betroffenen in diesen Abschiebelagern

Das Leben in den Anker-Zentren ist geprägt durch Arbeitsverbote, Residenzpflicht, Kantinenversorgung und Sachleistungen, wenig bis kein Bargeld, keinem Zugang zu Deutschkurse und mangelndem Schulunterricht für Kinder, sowie allerhand weiteren Schikanen der Behörden.

 

Kantinenversorgung

Die Versorgung mit Essen erfolgt über eine Kantine, die aber nur zu bestimmten Zeiten geöffnet hat. Außerhalb dieser Zeiten ist eine Versorgung – z. B. für Kinder – mit Nahrung nicht möglich, denn es wird untersagt, Essen aus der Kantine mitzunehmen. Auch dürfen Lebensmittel von „draußen“ nur eingeschränkt mit auf das Lagergelände genommen werden. Das Angebot an Mahlzeiten entspricht nicht einer ausgewogenen Ernährung und geht auch nicht auf individuelle Ernährungsbedarfe ein. Für nicht stillende Mütter gibt es in den meisten Anker-Zentren z.B. keine Möglichkeit, selbst Wasser für Milchnahrung abzukochen. Für Schwangere, stillende Mütter und Kleinkinder besteht ein Mangel an frischen und vitaminreichen Lebensmitteln.

 

Schulzugang

Für Kinder, deren Familien ein besonderes, beschleunigtes Asylverfahren durchlaufen müssen, gibt es in den Anker-Zentren Lagerschulen. Hier findet aber weder ausreichende Schulbildung statt, noch sind die Räumlichkeiten adäquat ausgestattet und ausreichend Lehrmaterial vorhanden (4). Auch der Besuch der Regelschule für Kinder im normalen Asylverfahren funktioniert nicht. Hier wird außerdem getrickst: Die Lagerschulen in den Anker-Zentren werden zu Dependancen der Regelschule erklärt, ohne dass die Zustände in den Schulen oder der Unterricht an die Regelschule angepasst werden.

 

Security

Überwachung und Kontrolle sind Alltag in den Abschiebelagern. So berichten Bewohner*innen von Zimmerdurchsuchungen und haben keine Möglichkeit, ihre Privaträume abzuschließen. Für Frauen gibt es keine adäquaten Schutzräume. Die Angst vor der Abschiebung ist in den Abschiebelagern spürbar; die Geflüchteten dort werden täglich Zeug*innen von Abschiebungen anderer, kaum noch jemand kann dort ruhig schlafen.

 

Polizeieinsätze

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Quellen:

(1) Bayerischer Flüchtlingsrat: Transitzentren & ARE: Die bayerischen Abschiebelager

(2) Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

(3) BAMF: Start der AnkER –Einrichtungen

(4) Bayerischer Flüchtlingsrat: Transitlager untergraben Menschenrechte