Die Genfer Flüchtlingskonvention – offiziell das „Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951“ - ist 70 geworden. Feierlich war angesichts der vielen Verletzungen weltweit wohl kaum jemandem zumute, aber der Anlass bietet die Möglichkeit dafür einzustehen, dass die Konvention bei allen Anfeindungen erhalten bleibt, denn sie steht für nichts weniger als den Schutz von Flüchtlingen.
Wenn wie in Australien oder den USA, an der kroatisch-bosnischen Grenze oder den Gewässern vor den griechischen Inseln, Flüchtlinge brutal zurückgewiesen, gar auf Inseln weitab vom australischen Festland in Lagern eingesperrt werden, dann wird mit dem Versprechen von 1951, Verfolgten Schutz zu gewähren, ihnen Rechte zu geben wie Pflichten, gebrochen. Dabei gab es gerade in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg gute Gründe für dieses Versprechen. Wie viele verfolgte Armenier oder Juden hätten gerettet werden können, wäre der Status von Flüchtlingen bereits geklärt und das Schutzversprechen geboten gewesen?
Ab 1951 galt der Schutz zunächst denjenigen, die „infolge von Ereignissen die vor 1951 eingetreten sind“ fliehen mussten und blieb auf Europa bezogen. Neue Flüchtlingskrisen in den 50er und 60er Jahren machten es notwendig, den zeitlichen und geographischen Anwendungsbereich auszuweiten, weshalb ein Protokoll zum Abkommen ausgearbeitet und verabschiedet wurde. Das „New Yorker Protokoll“ rief alle Staaten der Welt dazu auf, das Versprechen der Konvention zu teilen.
Natürlich kann man sagen, die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und auch das New Yorker Protokoll seien nicht mehr zeitgemäß. Zu groß ist die Dimension von Flucht und Migration weltweit, zu viele verschränkte Probleme schreien nach Lösungen. Auf den Routen sind Menschen gemeinsam unterwegs, die aus unterschiedlichen Gründen ihre Heimat verlassen, Migrant*innen auf der Suche nach einem besseren Leben wie Geflüchtete, die hoffen, sich aus Hungersnot oder vor Naturkatastrophen zu retten und viele andere, die aus der engen Definition der Konvention herausfallen. Man kann einiges an der Konvention und ihrer Evolution problematisch finden. Und offensichtlich läuft vieles vom Grunde her falsch, wenn Migrant*innen auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen Asyl beantragen, weil es keine anderen Möglichkeiten für einen Aufenthalt für sie gibt.
Dennoch ist die Konvention unverzichtbar. Sie stellt das Fundament des internationalen Flüchtlingsrechts dar. Sie definiert den Begriff Flüchtling und setzt Mindeststandards für die Behandlung von Flüchtlingen fest. Besonderes Gewicht hat dabei das Gebot der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement), das den individuellen Schutzanspruch gegenüber dem Unterzeichnerstaat vor Abschiebung in eine Verfolgungsgefahr festlegt. Achten wir diese Kernprinzipien der Flüchtlingskonvention und prüfen genau, wer diese aus dem Weg räumen will. Europäische Politiker von Griechenland bis Dänemark - ganz zu schweigen von Ungarn oder Polen - missachten die Konvention und ihre Grundsätze, wenn es um die „Bewältigung“ des „Flüchtlingsproblems“ vor der eigenen Haustür geht und machen es so der australischen Regierung nach, die seit 2013 die „Operation Souveräne Grenzen“ mit push-backs und Internierungslagern auf den Inseln zu einer der striktesten Abschreckungs-Politiken entwickelt hat.
Was sagen diese Kernprinzipien eigentlich über uns selbst und unsere Gesellschaften aus? Was macht es aus uns, wenn wir denen Schutz gewähren, die in ihren eigenen Staaten schutzlos geworden sind; verfolgt und gejagt? Was haben wir in Europa aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs gelernt? Wie human handeln wir und wie ermöglichen wir Schutzbedürftigen ein angemessenes Leben ohne Diskriminierung? Daran festzuhalten, dass Flüchtlinge auf der Suche nach Schutz nicht zurückgewiesen werden, bedeutet keineswegs die Forderung nach offenen Grenzen.
Die Konvention und mit ihr der Flüchtlingsschutz sind unverzichtbar, nach 70 Jahren genauso wie in den kommenden Jahrzehnten. Sorgen wir dafür, dass mehr Staaten sich den Prinzipien verpflichtet fühlen und sie umsetzen. Sorgen wir gleichermaßen dafür, dass die global immer größer werdende Flüchtlingskrise auf viele Schultern verteilt wird.